Schutzkonzepte und Eigenverantwortung auch für den Kinderschutz
Mitten im Sommer, mitten im zweiten Corona-Jahr haben wir alle mit großer Selbstverständlichkeit gelernt, dass es SCHUTZKONZEPTE braucht, um die Pandemie in den Griff zu bekommen bzw. das Ansteckungsrisiko zu reduzieren. Diese Maßnahmen treffen uns individuell ebenso wie Organisationen, Unternehmen und Institutionen. Die Maßnahmen dienen einerseits dem Schutz vor ungehinderter Ausbreitung des Virus – dabei wird an das „Verantwortungsgefühl" jeder/jedes Einzelnen appelliert. Andererseits dienen sie aber auch dem Schutz des Gesundheitssystems, also jener grundlegenden Strukturen, die für uns alle von zentraler Bedeutung sind.
Die Pandemie-Prävention lässt tatsächlich Vergleiche mit der Prävention von Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu. Beide Ebenen, Gesundheits- und Kinderschutz, brauchen die Verantwortung jeder/jedes Einzelnen sowie jene der Strukturen, sprich: Organisationen, Unternehmen, Arbeitgeber*innen etc. Nur in diesem Doppelpack – Verantwortung auf individueller und organisatorischer Ebene – ist die Pandemie in den Griff zu bekommen. Das beste Schutzkonzept wird nicht die erwünschte Wirkung erzielen, wenn wir – die Individuen – nicht mittun. Betreffend Pandemieprävention kann man sich individuell über die Dinge stellen, aus einem, meiner Meinung nach falschem Verständnis von individueller Freiheit heraus, ganz nach dem Motto: „ich brauche mich an nichts zu halten - mir passiert schon nichts - ich habe ein starkes Immunsystem; ich lasse mich doch nicht in meiner individuellen Freiheit beschränken" – oder die Existenz von Covid19 gleich ganz leugnen.
Das funktioniert durchaus mit ähnlichen Dissonanzen auch beim Kinderschutz. Auch da kann man das Unerwünschte, Bedrohliche, Unerklärbare von sich fernhalten oder die Gefahr mit durchaus ähnlichen Argumenten abwehren: „ich habe damit nichts zu tun, solche Leute kenne ich nicht/gibt es in meinem Umfeld nicht; das kann in unserer Einrichtung/Struktur nicht passieren; wir haben bisher noch nie Vorfälle gehabt, unsere Mitarbeitenden fügen Kindern kein Leid zu".
Ich würde mir wünschen, dass wir, als Gesellschaft und verantwortungsbewusste Individuen, nüchtern und sachlich Schutzkonzepte ernst nehmen, entwickeln, umsetzen und einhalten. Sie erleichtern auch ein Stück weit das Leben und Tun. Eine Organisation mit einem robusten Kinderschutzkonzept, holt die Tatsache, dass Gewalt an Kindern überall vorkommen kann aus der Tabuzone des (individuellen und organisatorischen) Bewusstseins, exploriert die Risiken in der eigenen Organisation, schult die Mitarbeitenden entsprechend, gibt sich und den Mitarbeitenden partizipativ erarbeitete Handlungsanleitungen für das Verhalten und den Krisenfall, bindet Kinder und Jugendliche ein und stellt diesen niederschwellige Beschwerdemöglichkeiten zur Verfügung und, last but not least, etabliert ein gutes System für Dokumentation, Monitoring und Evaluation.
Passen wir gut auf unsere Kinder und auf unsere Gesundheit auf!
Autorin:
Mag.a Astrid Winkler, Geschäftsführerin ECPAT Österreich und Gesamtleitung des EU-Projektes SAFE PLACES; langjährige Expertin für Entwicklung und Umsetzung von Kinderschutzkonzepten. Seit 2001 im Kinderschutz tätig.